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Reportage Liefertag

Der kurze Weg von Hof zu Herd


Wenn Roman Eggenberger vom Verein Feldfreunde sein knallrotes Auto frühmorgens mit prallvollen Kühlboxen belädt, dann warten bereits einige Köche und Köchinnen von Schaan bis Gaflei sehnsüchtig auf seinen Besuch. Am heutigen Vormittag hat er wieder ganz besondere Ware im Gepäck: hochwertiges Bio-Weiderind aus Liechtenstein.


Es ist noch stockdunkel in Liechtenstein, auch der Frühverkehr hat an diesem milden, nassen Dezembermorgen noch nicht eingesetzt. Nur auf dem Riethof in Gamprin brennt bereits Licht. Mit Stirnlampe über der gestrickten Wollhaube sortiert Roman Eggenberger dort im Kühlraum neben dem Hofladen vakuumversiegelte Fleischpakete in schwarze Kühlboxen ein. Insgesamt 340 kg Bio-Weiderind ist gestern aus einem Appenzeller Zerlegebetrieb nach vier Wochen Reifungszeit angeliefert worden. Heute geht es darum, das vom Ruggeller Mäderhof stammende Fleisch an Kunden auszuliefern.

„Wir schlachten derzeit im 2-Monats-Rhythmus und uns ist dabei die Vollverwertung wichtig, also dass wir wirklich alle Teile an den Koch oder die Köchin bringen“, erklärt der 51-Jährige, der im Verein Feldfreunde für Vertrieb und Vermarktung zuständig ist. Noch einmal vergleicht er sorgfältig den Inhalt der einzelnen Kühlboxen mit den Lieferscheinen und verstaut danach alles in seinem Wagen, ehe er mit der ersten Tranche den Hof verlässt. „Von hier aus ist man innerhalb von 15 Minuten praktisch an jedem Ort im Land. Das ist wichtig für die Kühlkette“, weiss Roman Eggenberger.

Die erste Station heute ist das HPZ Schaan, wo bereits Küchenchef Frank Wilke auf die Lieferung wartet. Er begutachtet genau die einzelnen, schweren Pakete. Voressen, Sied- und Hackfleisch liegen sauber verschweisst vor ihm. „Das Hackfleisch will ich immer im Ganzen haben. So bleibt es länger haltbar und wir lassen es erst dann durch den Wolf, wenn wir es verarbeiten“, erklärt der erfahrene Koch, der seit mittlerweile 19 Jahren die HPZ-Grossküche in Schaan leitet und davor unter anderem auch im Vaduzer Sonnenhof gearbeitet hat. Er greift nach einer Siedfleisch-Packung und gerät spontan ins Schwärmen: „Die Qualität ist einfach genial. Am Stück kräftig angebraten, 48 Stunden bei Niedertemperatur gegart und danach geschnitten – einfach der Hammer.“



Obwohl Frank Wilke und sein Team täglich rund 250 Mahlzeiten zubereiten, legt er grossen Wert auf Qualität und saisonale Regionalität. „Unser Gemüse beziehen wir allerdings nicht über den Verein Feldfreunde, weil das HPZ ja einen eigenen Gemüseanbau in Mauren betreibt und wir alles von dort je nach Erntezeit frisch bekommen. Tomaten oder Gurken kommen bei mir im Winter nicht auf den Teller, dafür regionales Wurzel- und Wintergemüse“, bekräftigt der Liechtensteiner seine Philosophie. 

Bevor es zum nächsten Kunden weitergeht, reicht Roman Eggenberger dem Koch noch zwei Muster: „In diesem Papiersäckchen ist Ribelmaismehl vom Biohof Näscher aus Eschen. Und in dem noch nicht etikettierten Glas das erste Fermentationsprodukt aus Liechtenstein: fermentierte Gelberbsenpaste. Ein cooles, neues Produkt, das ich ,Liso‘ nenne – also eine Art liechtensteinisches Miso. Mit feiner, süsslicher Note.“ Frank Wilke nimmt beide Produkte interessiert in die Hand. „Gibt es für das Ribelmaismehl auch grössere Gebinde zu 5 oder 10 kg?“, will er wissen. „Kein Problem“, antwortet der Feldfreunde-Mitarbeiter. „Ok, ich probiere beides einmal aus und gib dir danach ein Feedback.“ Noch ein kurzer, freundlicher Händedruck zwischen den beiden und schon sitzt Roman Eggenberger wieder im Auto und steuert den nächsten Kunden an.

Auf der Fahrt dorthin gibt er Einblicke, wie wertvoll diese nur wenige Minuten dauernden Treffen mit den einzelnen Gastronom:innen sind: „Köche oder Köchinnen haben im Normalfall nur sehr wenig Zeit und man kann ihnen im persönlichen Gespräch einfach am besten neue Produkte vorstellen. Und natürlich lernt und erfährt man dabei auch selbst viel Neues.“

Nach wenigen Minuten steht Roman Eggenberger bereits wieder mit zwei vollen, schwarzen Kühlboxen in einer Küche. Diesmal in der Gaststube Sonnriet im 1.Stock der HPZ-Werkstätten in Schaan, wo ihn bereits Fabian Tiefenthaler mit einem freundlichen Lächeln begrüsst. Der Vorarlberger bereitet hier im Gebäude der Holz- und Metallverarbeitung sowie der Industriegruppe des HPZ mit seinem Team bis zu 75 Gerichte pro Tag zu – auch für angemeldete, externe Gäste. Die heutige Lieferung ist die allererste Bestellung des Küchenchefs, die er bei den Feldfreunden aufgegeben hat. „Ich habe den Tipp von Frank bekommen“, erzählt Fabian Tiefenthaler, der wie sein HPZ-Kollege heute ebenfalls Voressen, Sied- und Hackfleisch verschweisst vor sich liegen hat. Ausserdem hat ihm Roman Eggenberger wie versprochen auch eine grosse Packung Parüren mitgebracht. „Leider vielerorts ein Abfallprodukt, das von den bekannten Fleischteilen abgetrennt wird. Man kann daraus zwar kein Gericht zubereiten, aber noch den feinen Geschmack herausholen. Etwa für Sossen“, erklärt der 37-jährige Koch. Auch das ist Nachhaltigkeit. Und es freut Roman Eggenberger, der so wirklich das komplette, geschlachtete Rind verarbeiten und verkaufen kann. Zum Abschied verspricht Fabian Tiefenthaler dem Feldfreunde-Mitarbeiter noch etwas: „Ich melde mich Anfang Jahr bei dir und gib dir dann Bescheid, wenn ich mit dem Fleisch erstmals ein Gericht mache.“

Es geht zurück zum Kühlraum des Riethofs, um frisch gekühltes Fleisch für die nächsten Kunden zu holen. „Jetzt sind die Edelteile dran: Entrecôte, Filet und Huft“, verkündet Roman Eggenberger, während er die nächste Kühlbox füllt. „Und zusätzlich zum Rind packe ich auch noch Lamm vom Biohof Näscher dazu.“ Beim nächsten Liefertermin möchte und muss der vielbeschäftigte Feldfreunde-Botschafter besonders pünktlich sein. Schliesslich ist er mit der Küchenchefin des Vaduzer Schlosses verabredet. 



Im Hof angekommen geht es direkt in die Schlossküche, wo ihm die junge Küchenchefin bereits entgegenstrahlt. Martina Segmüller, seit mehreren Jahren bereits für die Fürstenfamilie tätig, nimmt sofort fachkundig das Fleisch unter die Lupe. „Das ist wirklich Topqualität: butterzart und zergeht auf der Zunge. Man merkt schon beim Verarbeiten, dass es sich um gesund aufgewachsene und stressfrei direkt auf dem Hof getötete Tiere handelt“, streut die gebürtige Tirolerin der Fleischqualität Rosen. Roman Eggenberger berichtet ihr, dass man ab nächstem Jahr aufgrund der guten Nachfrage plant, zumindest an ein bis zwei Terminen pro Jahr statt derzeit zwei gleich fünf Rinder zu schlachten: „Dann hätten wir an solchen Lieferterminen in Summe rund 900 kg Bio-Rindfleisch anzubieten. Für unsere Planung und die Vollverwertung wirklich aller Fleischteile sollten wir vorab allerdings die genauen Abnahmemengen und Wünsche kennen.“ „Ist gut“, nickt die 37-jährige Küchenchefin und verspricht, ihn demnächst über absehbare zukünftige Bestellmengen zu informieren. „Ach ja, noch was: Hast du von den Tieren eigentlich auch die Knochen? Die könnte ich gut etwa für Suppen gebrauchen“, will Martina Segmüller zum Abschied noch wissen. „Bring ich Dir vorbei.“ Der offene und freundliche Austausch geht mit einem herzhaften Händedruck zu Ende und Roman marschiert mit den leeren Kühlboxen wieder über die hölzerne Brücke zur Pforte, um dort in sein Auto zu steigen.

„Jetzt geht es noch eine Etage höher“, verrät er mit einem Augenzwinkern und startet den Wagen. Während er diesen durch das wilde Kurvengeschlängel immer höher bergwärts lenkt und einem die Schneewechten am Rand der Strasse das nahe Weihnachten in Erinnerung rufen, gewährt der 51-jährige Tausendsassa Einblicke in seinen Lebenslauf. „Nach 30 Jahren im Bankwesen habe ich vor fünf Jahren mein altes Leben beendet und ein neues gestartet“, erzählt Roman Eggenberger, der sich heute selbst als „Portfolioarbeiter“ bezeichnet. „Ich geniesse es, dass sich mein aktueller Beruf aus verschiedensten Aktivitäten und Arbeitsfeldern zusammensetzt und sich auch ständig verändert: von meinem mobilen Granville Café über die Mitarbeit beim Ideenkanal oder diversen Kommunikations- und Veranstaltungsprojekten bis zu meiner Tätigkeit für den Verein Feldfreunde.“ Gibt es für all diese, doch sehr unterschiedlichen Bereiche eigentlich einen gemeinsamen Nenner? Etwas, was ihn tagtäglich motiviert? Roman lächelt sanft. „Ja, das gibt es. Mir geht es heute vorrangig darum, mit wem ich etwas tue und weniger, was ich tue. Ganz abgesehen davon, dass mich einfach sehr vieles interessiert und ich so jeden Tag neue Erfahrungen mache und etwas dazulerne.“

Die Fahrt und die persönlichen Ausführungen enden hoch oben in Gaflei: am Parkplatz des Clinicum Alpinum. Auf einem kleinen Rollwagen schiebt Roman Eggenberger die nächsten zwei Boxen Richtung Eingangstür. „Ich habe den Gründer und Chefarzt Marc Risch über den Ideenkanal kennengelernt und einmal spontan angesprochen“, verrät er auf dem Weg ins Innere der Klinik. Im Restaurantbereich empfängt ihn Koch Erik Kaiser und übernimmt die Fleischportionen. Der gesprächige Lieferant nutzt auch hier die Gelegenheit, ihm Probepackungen zu übergeben: je ein Säckchen Gelberbsen und Bio-Polenta sowie die noch nicht etikettierte, fermentierte Gelberbsenpaste. 



Nach einem kurzen Fachgespräch der beiden Lebensmittelexperten über den genauen Fermentationsprozess, den im Produkt enthaltenen Restzucker sowie etwaige Verarbeitungsmöglichkeiten geht es wieder durch die nebelige Bergwelt talwärts. Genauer gesagt zum Restaurant Vivid an der Landstrasse in Triesen. Dort kommt Roman Eggenberger schon im Foyer Heiko Krüger entgegen. Auf den Verein Feldfreunde und deren Vertriebsangebot für heimische, nachhaltig erzeugte Lebensmittel ist dessen 49-jähriger Chefkoch und Inhaber durch die sogenannte „Produzentenarena“ aufmerksam geworden: eine Veranstaltung, die den Kurzschluss zwischen Landwirtschaftsbetrieben und Gastronom:innen innerhalb einer Region fördern und vertiefen möchte. Die heute bestellte, geringe Fleischmenge benötigt der Koch mehr zu Testzwecken. „Aber gut möglich, dass ich bei euch schon bald grössere Mengen bestellen werde. Die hohe Qualität und das Regionale passen perfekt zu meiner Philosophie“, erzählt der Gastronom.

Der Vormittag ist bereits weit vorgerückt. Roman Eggenberger steuert die für heute letzte Station an: die Tagesstruktur Ebenholz. Dort schwingen Meinrad Tichy und Claudia Ospelt gemeinsam im Team tagtäglich die Kochlöffel, um bis zu 90 hungrige Kindermägen zu Mittag satt zu bekommen und auch ein gesundes Zvieri aufzutischen. „Alles selbstverständlich mit einem entsprechenden Qualitätsanspruch. Von den Kindern bekommen wir ohnehin sofort ein brutal ehrliches und direktes Feedback, ob es ihnen schmeckt oder nicht“, weiss der erfahrene Meinrad Tichy. In seiner Küche landen keine ausgesprochenen Edelstücke, sondern grossteils hochwertiges Sied- und Hackfleisch in Herd und Pfanne. „Bisher haben wir über die Feldfreunde immer nur 1a-Qualität bekommen. Und auch der Preis ist ok.“ Für Claudia Ospelt ist noch etwas entscheidend: „Bei diesem Fleisch und auch anderen Produkten des Vereins muss man sich keine Gedanken über unnötige Zusatzstoffe machen.“ Zum Abschied formuliert sie noch einen besonderen Wunsch: „Macht doch auch einmal Würste oder Fleischkäse. Die würden bei uns weggehen wie die warmen Semmeln.“

Auf der Rückfahrt zum Hofladen des Riethofs, um dort die Leergebinde zu deponieren, ist es im Auto erstaunlich ruhig. In Roman Eggenbergers Kopf hallen spürbar die vielen Gespräche und Feedbacks der heutigen Besuche nach und rattern bereits neue Ideen, wie diese das derzeitige Feldfreunde-Angebot Schritt für Schritt noch verbessern und ausbauen können. „Das richtige Tempo ist dabei ganz entscheidend. Gepaart mit der gleichbleibend hohen Qualität und zufriedenen Kunden“, sinniert der Vermarktungs- und Verkaufsprofi. Etwas, das ihm und den über den Verein Feldfreunde vertriebenen Produkten am heutigen Vormittag wieder einmal wunderbar gelungen ist.


Autor: Paul Herberstein, Fotos: Julian Konrad



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